Cultural Policy Lab

Das Cultural Policy Lab ist ein interdisziplinäres Reflexions-Format, das ausgehend von dem theaterwissenschaftlichen Master- Forschungsseminar „Institutionelle Ästhetik“ an der LMU München entwickelt wird. Das Cultural Policy Lab verfolgt das Ziel, innerhalb der traditionsreichen Universitätsstruktur einen dynamischen Think- and Do-Tank aufzubauen, in dem die physischen und ideellen Räume der Universität ausgehend von kulturpolitischen Fragen neu gedacht werden.

Wir leisten Pionierarbeit für den Forschungstransfer in den Kunst- und Geisteswissenschaften und gestalten neue Allianzen. In Kooperation mit Partnern aus Kulturverwaltung, Kulturpolitik, Kunst und Wissenschaft entwickeln wir nachhaltige Strategien für die Kultur- und Kreativwirtschaft.

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Wir bedanken uns bei den Förderern, die die Entwicklung der ersten Schriftenreihe des Cultural Policy Labs möglich gemacht haben:

Projektleitung: Christian Steinau, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Ludwig-Maximilians-Universität München

Kontakt: Ludwig-Maximilians-Universität München, c/o Nachwuchsforschungsgruppe Kreativität und Genie, Edmund-Rumpler-Str. 13b, Raum 176, 80939 München, Germany (c.steinau(at)lmu.de)

Mitarbeit: Johanna Vocht und Christina Kockerd

Design: Studio Lob (www.lob.tf)

Code: Lukas Marstaller (www.bnag.cc)

Copyright: Cultural Policy Lab, 2021

Impressum & Disclaimer

Anschrift: Cultural Policy Lab, c/o Nachwuchsforschungsgruppe Kreativität und Genie, Ludwig-Maximilians-Universität München, Edmund-Rumpler-Str. 13b, Raum 176, 80939 München

E-Mail: info(at)culturalpolicylab.com

Verantwortlich für den Inhalt: Ludwig-Maximilians-Universität München, Christian Steinau, Projektleiter des Cultural Policy Lab

Das Cultural Policy Lab ist ein Forschungs- und Transferprojekt, das im Wintersemester 2019/20 aus dem theaterwissenschaftlichen Master Forschungsseminar Institutionelle Ästhetik an der LMU München entwickelt wird. Es ist keine Einrichtung der LMU München, sondern ein vom Wissenschaftlichen Mitarbeiter Christian Steinau geleitetet Forschungs- und Transferprojekt.

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Das Cultural Policy Lab in den Münchner Kammerspielen Index

Marie Curies Lab

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Es gibt ein Thema, bei dem sich die Gemüter ähnlich erhitzen können wie die Reagenzien in Marie Curies Laboratorium – es handelt sich um Publikumsforschung im Kunstbereich. In der Station LE LABORATOIRE 12 RUE CUVIER des Cultural Policy Labs sollte daher ein Besucher*innentypus im Vordergrund stehen, dem in vielerlei Hinsicht noch nicht ausreichend Beachtung geschenkt wurde, nämlich dem Typus derer, die eben nicht ins Theater. gehen. Am Labtisch hatten sich viele Teilnehmer*innen eingefunden, die in der Diskussionsrunde aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln argumentiert haben. Diese Perspektiven spiegeln sich auch im Diskurs wider, der hier aufgezeigt werden soll.

Hanna van der Heijden moderiert die Laborstation Le Laboratoire 12 Rue Cuvier, Februar 2020. Foto: Basti Barsch

Warum soll Publikumsforschung im Theater die Gemüter erregen?

Beobachtung und Befragung von Besucher*innen kennt man aus der Kultursoziologie, Kunstpsychologie oder dem Kulturmanagement – und das nicht erst seit gestern. Warum also sollte Publikumsforschung im Theater die Gemüter erregen?

Innerhalb der Kreativszene gibt es verschiedene Interessen: sich durch Kunstschaffen selbst zu verwirklichen, ein Image zu bewahren bzw. eine corporate identity aufzubauen – und auch Geld zu erwirtschaften, gehören zu solchen Interessen. Zunächst einmal ist anzumerken, dass staatliche und städtische Kulturorganisationen in Deutschland in der globalen Draufsicht eine herausragende Stellung einnehmen, denn sie erhalten eine vergleichsweise hohe, öffentliche Kulturförderung. Was von Manchen bisweilen als Freifahrtschein für exzentrische, publikumsferne und elitäre Kunstproduktion bewertet wird, hat einen dezidiert demokratischen und substanziellen Nutzen: Da Deutschland in seiner Vergangenheit massive Verfolgung von Künstler*innen erfahren hat und Kunst und Kultur zu Propagandazwecken missbraucht wurden, geht das Land einen begründeten Sonderweg. Darüber hinaus bewahrt monetäre Kulturförderung eine Einrichtung davor, vom Publikumsgeschmack existenziell abhängig zu sein und bietet Raum für progressive Experimente bezüglich neuer Formen der Darbietung. Dies betrifft Inszenierungen wie Konzerte gleichermaßen.

Daher rücken finanzielle Aspekte, die oftmals mit Unterhaltungsmedien assoziiert werden, in den Hintergrund. Kulturorganisationen mit oben genannter Förderung definieren sich über qualitativ hochwertige Kunst und nicht über das Erfüllen von Publikumswünschen. Der Annäherung ans Publikum haftet der Verdacht an, die (eigene) künstlerische Freiheit einschränken zu wollen. In Anbetracht der aufgeführten Argumente wird die mitunter kritische Sicht des Kunstbetriebs auf Publikumsannäherung durch Befragungen nachvollziehbar, soll jedoch im Folgenden näher beleuchtet werden.

Zahlen und Fakten: wer geht denn ins Theater und wer nicht?

So stellt sich etwa die Frage, ob eine Hinwendung zum Publikum tatsächlich bedeuten muss, den Besucher:innen alle Wünsche sprichwörtlich auf einem Silbertablett zu servieren und sei-nen Kreationswillen diesem unterzuordnen? Im Folgenden soll ein Blick auf aktuelle Zahlen der Besucherforschung Vermutungen objektivieren.

Eine repräsentative Studie von 2020 1 belegt, dass ein Drittel der Bevölkerung (33%) Interesse an klassischen Kulturangeboten (insbesondere Schauspiel, Oper, Klassikkonzerte, Kunstausstellungen) hat. Von diesem Drittel der Interessierten hat fast die Hälfte (45%) ein hohes Bildungsniveau und Frauen sind signifikant interessierter an klassischen Kulturangeboten. Die Klientel besteht zu 40% aus Menschen über 60 Jahre und zu 31% aus 18- bis 39-Jährigen. 24% der Befragten hatten (auch) Interesse an Nischen- und Subkultur (Kunstperformances, Jazzmusik, Filmkunst etc.) und 36% an Popkultur (Popmusik, Blockbusterfilme); 40% zeigten Interesse an Festen und Events. 29% aller Befragten waren absolute „Kulturmuffel“ und äußerten überhaupt kein Interesse.

Im Bereich des Theaters gehören jedoch 47% zu den Nie-Besucher*innen – überwiegend aus Zeitmangel (36%), gefolgt von Desinteresse (28%) und mit großem Abstand aufgrund zu hoher Ticketpreise und mangelnder Qualität (jeweils 12%). Währenddessen können nur 7% zu den Kernbesucher*innen mit mindestens vier Theaterbesuchen pro Jahr gezählt werden. Bei den Besucher*innen der Theater zeigt sich eine Akzentuierung des hohen Bildungsniveaus, denn sie machen 57% der Viel- und Gelegenheitsbesucher*innen aus. Nur unter den Gelegenheitsbesucher*innen relativiert sich der Einfluss der Bildung fast komplett. Obwohl viele das Angebot von Theater nicht nutzen, sprachen sich 86% für eine mindestens genauso hohe Förderung aus, was wiederum die These untermauert, dass Theater als gesellschaftlich wertvolle Institution allgemein anerkannt ist.

Dies bedeutet nicht, dass an sie keine Erwartungen seitens des Publikums gestellt werden: 92% möchten eine Preisgestaltung, die Menschen aus allen sozialen Schichten eine Teilhabe ermöglicht, 89% wünschen sich Programme für Kinder und Jugendliche, 86% Inszenierungen oder Programme, die zum Lachen anregen, 80% wünschen sich Stücke, die für jede:n verständlich sind; immerhin 66% wollen aktuelle und experimentelle Kunst sehen und 60% erwarten klassische Stücke von namhaften Autor:innen.

Hanna van der Heijden berichtet über Seminarinhalte aus dem Forschungsseminar "Institutionelle Ästhetik", Februar 2020. Foto: Melanie Lehwald

Die Frage der Bildung und das sprichwörtliche Wunschkonzert

Der/ie charakteristische Nutzer:in ist eine hochgebildete Frau über 60, wohingegen der/die typische Nicht-Nutzer:in ein junger Mann mit einfacher Bildung ist. Die Vermutung liegt nahe, dass der Hinderungsgrund in der Kombination von fehlender Heranführung in jungen Jahren durch Schule und Eltern und einem möglicherweise daraus resultierenden, fehlenden Zugang zum Theater liegt.

Eine der im Lab am meisten diskutierten Fragen war diejenige nach dem Zusammenhang zwischen Niveau der künstlerischen Ausarbeitung und der Bildung der/s Rezipient*in. Diese Frage lehnt sich an Pierre Bourdieus Ansatz an, der Kultureinrichtungen als klassenspezifische Distinktionsmaschinen betrachtet, weil die Dekodierung des Kunstwerks im kulturellen Kapital der Sozialisierung fußt.2 Die diskutierte These lautete: Wenn Kunst von hochgebildeten Menschen gemacht wird, sei die Chance sehr groß, dass diese auch von demselben soziokulturellen Umfeld rezipiert und verstanden werde. Die Lebensrealität der Theatermacher*innen spiegele sich in ihrem künstlerischen Schaffen wider, aber diese decke sich nicht unbedingt mit der ihrer Zielgruppe. Das Zeichensystem, das das Theater benutzt, eröffne vollkommen andere Welten, wenn zuvor schon Erfahrungen gemacht wurden, auf die das Theatererlebnis aufbauen kann. Je mehr Interessen, Horizonte, Erlebnisse und Erfahrungen das Individuum bilde und gebildet habe – egal, ob nun durch Schule oder familiäre Sozialisation, desto mehr könne es das Theatererlebnis verarbeiten, unter gewinnbringend verbuchen und die Zeichen im Theater lesen. Häufig zeige Theaterkunst zwar den Willen, offen für Diskurse und für alle zugänglich zu sein, aber sei in der Ausführung nicht selten in einer solchen Filterblase, dass selbst Theaterkenner ohne eine Einführung in das Stück hoffnungslos verloren wären und aus der Theaterveranstaltung nichts außer Fragen und Verwirrung mitnehmen würden.

An Teilen dieser diskutierten These mag etwas dran sein, vor allem wenn man sich den starken Wunsch nach Verständlichkeit vor Augen führt. Dennoch lässt sich dies sicherlich nicht auf alle Inszenierungen und Veranstaltungen im Theater übertragen. Zudem muss man sagen, dass kulturpolitisch sowie innerhalb der Theaterorganisationen viel getan wird, um eine Atmosphäre des gemeinsamen Austausches – ungeachtet der Herkunft und Konstitution – zu etablieren. Nicht umsonst machen Dramaturg*innen Einführungen zu den Inszenierungen, Schüler:innengruppen finden sich bei Theaterpädagog*innen für gemeinsame Projekte ein, oder es gibt u. a. kulturpolitische Angebote für bestimmte Gruppen, für die ein Theaterbesuch eine besondere Barriere bedeutet. Außerdem finden sich auch besonders unter Menschen mit niedrigem Bildungsniveau sowohl viele nicht interessierte Besucher*innen (59%), als auch interessierte Nicht-Besucher*innen (45%). Offenbar gehen einige trotz Desinteresses als Begleitung mit ins Theater und viele andere wiederum würden gerne ins Theater gehen. Und da ist der Punkt, an dem man gezielt ansetzen kann.

Warum sollte man sein Publikum kennen? Was sind die Barrieren?

Wer seine Publika kennt, kann auf sie eingehen oder sich sogar spezialisieren, sei es nun in der Spielplangestaltung oder in Form von besonderen Angeboten. Es gibt Menschen, die wird man nie und unter keinen Umständen für das Theater begeistern können. Es gibt jedoch auch Menschen, die sich von neuen Formaten mit Inhalten, die für sie relevant sind, anziehen lassen. Unter Umständen ließen sich dann auch desinteressierte Nicht-Besucher*innen anlocken. Die große Chance liegt allerdings im Bereich der Gelegenheitsbesucher*innengruppen. Die obigen Zahlen implizieren Hürden, die teilweise nicht und teilweise schon von den Theaterorganisationen behoben werden können.

Solche Barrieren können physischer und/oder psychischer und/oder sozialer Natur sein. Das können physisch-infrastrukturelle oder organisatorische Hindernisse wie die Beschaffenheit der Anfahrtswege oder die Bewältigung des (oft familiären) Alltags sein, in dem das Wahrnehmen von Kulturangeboten kaum Platz findet. Letzteres zeigt sich indirekt in den vertretenen Altersgruppen und dem Zeitmangel bei interessierten Nicht-Besucher*innen. In der Lebensphase der beruflichen und familiären Orientierung kommen die wenigsten Besucher*innen, haben aber im Grunde Bedürfnisse nach kultureller Betätigung. Existentielle Nöte, die auch mit niedriger Bildung korrelieren können (aber nicht müssen!), können sicherlich auch als Barriere identifiziert werden. Kaum eine:r wird frequent an Kulturgenuss denken, wenn die essentiellen Grundbedürfnisse kaum gedeckt werden3 und dadurch die finanziellen Mittel für die kulturelle Teilhabe nicht zur Verfügung stehen.

Es gibt sichtbare und unsichtbare Hürden: Die barrierefreie Einrichtung eines Theaterhauses zeigt sich nicht nur im Vorhandensein einer entsprechenden Toilette und ausreichend Platz für Rollstuhlfahrer*innen. Die Modalitäten des Ticketkaufs, eine auch für Menschen mit Seheinschränkungen zugängige Internetpräsentation, Abbau von Sprachbarrieren jeglicher Art und Angebote für taube und/oder blinde Menschen zeugen von einer umfassenden Teilhabeoption. Zu den unsichtbaren Hürden könnte man z. B. Ängste zählen, unangenehm aufzufallen. Ob nun z. B. ein Mensch Tourette-Syndrom, ein Mensch mit schwer kontrollierbarem Bewegungsdrang oder eine stillendende Mutter mit Baby: vermutlich machen sich diese Menschen kaum auf den Weg ins Theater, aus Sorge, jemanden zu stören. Sollte ein Theater feststellen, dass viele solcher unsichtbaren Hürden vorhanden sind, könnte es auf eine Praxis zurückgreifen, die in England teilweise angewandt wird: Theateraufführung in einer relaxed environment an einem Nachmittag, bei welcher Zwischenrufe, Toilettengänge und sogar Essen erlaubt sind.

Fazit

Auf keinen Fall soll der künstlerische Anspruch verloren gehen! Publikumsforschung ermöglicht allerdings die Erschließung eines neuen oder vernachlässigten oder überforderten Publikums. Je mehr das Theater über seine Besucher*innen weiß, desto besser kann es sich auf deren Bedürfnisse einstellen. Ja, das kann auch bedeuten, dass ein Fokus neu gesetzt werden muss, dass neue Formen der Darbietung ausprobiert werden müssen (was sich natürlich in der Art der Inszenierung niederschlägt), aber es bietet auch die Chance, dass die unterschiedlichen Zielgruppen und das Theaterhaus besser aneinander wachsen können. Ein institutionalisiertes Audience Development durch das Kulturmanagement kann dazu beitragen, dass die Zufriedenheit auf beiden Seiten, der Theatermacher*innen wie auch der Theaterzuschauer*innen, erhöht wird. Vielleicht kämen dann nicht nur das Bildungsbürgertum mit ähnlichen kultureller Sozialisation ins Theater, sondern zusätzliche Zielgruppen, für die die Inszenierung (auch) gedacht war.


  1. Mandel, Birgit/Steinhauer, Moritz: Theater in der Legitimationskrise? Interesse, Nutzung und Einstellung zu den staatlich geförderten Theatern in Deutschland – eine repräsentative Bevölkerungsbefragung. Universitäts-verlag Hildesheim: Hildesheim, 2020. ↩︎

  2. Tröndle, Martin [Hrsg.]: Nicht-Besucherforschung. Audience Development für Kultureinrichtungen. Wiesbaden: Springer VS, 2018, S. 3. ↩︎

  3. Renz, Thomas: „Nicht-Besucherforschung. Die Förderung kultureller Teilhabe durch Audience Development“. In: Zeitschrift für Kulturmanagement, 2018, Vol.4(1), pp.174-179, S. 175. ↩︎

Hanna Van der Heijden

Newsfeed

Das Cultural Policy Lab geht im Januar 2021 online. Auf unserer Website informieren wir über unsere Aktivitäten und unseren wissenschaftlichen Beitrag zur Bewältigung der Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die Kultur- und Kreativwirtschaft. Stay tuned!